Runder Tisch Riehl - Grundlagen und Ideen
Überblick über Geschichte und Arbeit des "Runden Tisch Riehl"
Zunächst ein schneller Überblick
Die Initiative ist im März 2014 gegründet worden.
Die wichtigsten Ziele und selbstgewählten Aufgaben sind seit fast zehn Jahren:
Der Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus und für Meinungsbildung statt Meinungsmache
Wir versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Als kleine Gruppe können wir das in und für unseren Stadtteil Riehl.
Keineswegs verlieren wir dabei Probleme in der Stadt Köln bis hin zu globalen Themen wie Kriege und die Klimakatastrophe aus dem Blick.
Genauso wenig ist es die Idee, eine heile Welt „In unserm Veedel“ zu feiern.
Unser Anspruch bleibt: Immer wieder über das Reden hinaus zum Handeln zu kommen!
Das geht zunächst im Kleinen und Lokalen.
März 2020 bis heute
Im März 2020 fing die Pandemie an und damit die größte Veränderung für unsere Arbeit mit Geflüchteten:
Treffen wie bisher waren nicht mehr möglich, die Begleitung musste sich auf Schreiben, Telefonieren und ganz seltene Gespräche mit Maske draußen beschränken. Die Kontakte von uns Riehler Ehrenamtler*innen zu den inzwischen in verschiedenen Kölner Stadtteilen lebenden Geflüchteten mussten neu organisiert werden. Heute können wir sagen, dass das im Wesentlichen gelungen ist. So gibt es einige erfolgreiche Schul- wie Ausbildungsabschlüsse auch während der Coronazeit. Auch erfreulich: Bei einigen Umzügen aus den Wohnheimen in private oder städtische Wohnungen konnten wir helfen. Viele 1:1-Begleitungen sind bis heute stabil.
Auch intern waren die regelmäßigen Treffen wie samstags im Ö-Treff,
das Zwischendurch im Körner's und natürlich unser Plenum unmöglich.
Durch die gute Vernetzung in Riehl und die vielen – oft durch die gemeinsame Arbeit entstandenen - Freundschaften gab es aber nie die Gefahr, dass die Initiative einschläft. Auch die Technik hilft mit Zoom-Konferenzen statt echter Treffen.
Eine Ergänzung unserer Aktivitäten ergab sich aus der engen Zusammenarbeit mit der Jüdischen Liberalen Gemeinde in Riehl und Online-Workshops zum Thema Rassismus, da die Arbeit mit und für Geflüchtete ohne politische Arbeit gegen Semitismus und Rassismus nicht sinnvoll ist. Ein Schwerpunkt ist die Erinnerung an Manfred Faber, den in Auschwitz ermordeten jüdischen Architekten der Naumannsiedlung in Riehl. Auch die Kippa-Aktion auf dem Wochenmarkt nach dem Angriff auf einen jüdischen Mitbürger in Köln im Herbst 2021 war gelungen.
In der gleichen Zeit wurde das Wohnheim in der Boltensternstraße 10d leerer, so dass die endgültige Schließung für Herbst 2021 geplant war. Weil aber schon fertig gebaute andere und viel bessere städtische Unterkünfte z.B. als Quarantänestationen benötigt wurden, lebten Anfang 2022 dort noch ungefähr 50 Menschen.
Dann veränderte der Überfall des russischen Militärs auf die Ukraine im Februar 2022 alles:
Innerhalb weniger Tage wurden in den Häusern Boltensternstraße 2-4, 10a und 10d mehr als 550 aus der Ukraine geflüchtete Menschen untergebracht. Das Wohnungsamt der Stadt und das DRK als Träger der drei Häuser waren stark gefordert.
Natürlich konnte die Versorgung nicht sofort problemlos organisiert werden, so dass wir vom Runden Tisch in der Boltensternstraße 2-4 in den ersten Wochen bei der Essensausgabe eingesprungen sind.
Etwa 200 Menschen kamen direkt aus ihrem Urlaub, denen mit unserer Kleiderkammer geholfen werden konnte.
Bald gab es von uns organisierte Deutschkurse. Bei der Suche nach privaten Unterkünften griff das in den Vorjahren aufgebaute Netzwerk mit Erfolg.
Ukrainische Familien konnten dank Spenden und unserer Organisation mehrmals den Zoo besuchen, der FC spendete Freikarten für Ukrainer*innen und Stadtspaziergänge wurden angeboten.
Zusammen mit Riehler Kirchengemeinden organisierten wir am 5. März auf dem Riehler Markt eine Kundgebung für Frieden, Toleranz und Demokratie. Wichtig für uns als Initiative bleiben sowohl die konkrete Hilfe als auch die Öffentlichkeitsarbeit.
Wir konnten feststellen, dass Angebote von städtischen und anderen Trägern in kurzer Zeit organisiert wurden: Beispielsweise gibt es Kita- und Schulplätze, Spiel- und Sportangebote für Kinder, Tickets für die KVB, Deutsch- und Integrationskurse. Aus den Erfahrungen der Jahre ab 2014 hatten die Beteiligten gelernt, wie Stadt, Träger wie das DRK und Willkommensinitiativen zusammenarbeiten können.
Vieles von dem, was für die Geflüchteten aus Syrien, dem Balkan, Afrika oder Asien von den Willkommensinitiativen erkämpft werden musste, funktionierte nun deutlich besser. Selbstverständlich sind bei Sprach- und Integrationskursen professionelle Angebote dem Ehrenamt vorzuziehen. Daher sind wir zufrieden, dass wir Freizeitaktivitäten wie Zoobesuche und Stadtspaziergänge finanzieren und durchführen können.
Sehr problematisch ist die Situation der sogenannten „Drittstaatler“, den Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten mussten, aber keinen ukrainischen Pass haben. So gibt es Medizinstudent*innen aus afrikanischen Ländern, die in der Ukraine kurz vor dem Examen standen und nun in Deutschland vor dem Nichts stehen: nur eine befristete Fiktionsbescheinigung mit der Aussicht, in ihr „sicheres“ Heimatland abgeschoben zu werden.
Wir werden die Geflüchteten der ersten Jahre auf dem Weg zur Integration weiter begleiten und ukrainische Geflüchtete, auch die „Drittstaatler“, ergänzend zu den professionellen Angeboten unterstützen.
Februar 2014 bis März 2020
Mitte Februar 2014 gab es die erste Information, dass Flüchtlinge auch in Riehl untergebracht würden, und zwar im ehemaligen Versorgungsamt in der Nähe des SBK in der Boltensternstraße 10D. Direkt gab es eine Reaktion von Pro Köln, die versuchten, Ängste vor allem bei den Bewohnern des SBK ("Riehler Heimstätten") zu schüren.
Die direkten Nachbarn des Heims schlossen sich zusammen. Sie hatten sich zwar über fehlende Information seitens der Stadt Köln geärgert, wollten den Flüchtlingen aber helfen.
Etwa gleichzeitig fanden andere Riehler, man dürfe die Propaganda von Pro Köln nicht so stehen lassen und
überlegten, auf welche Weise man möglichst viele Menschen in Riehl dafür gewinnen könne, die Flüchtlinge im Stadtteil willkommen zu heißen und ihnen Unterstützung anzubieten.
So gab es dann am 27. März 2014 das erste Treffen "Runder Tisch Riehl" mit 44 Interessierten -
darunter auch Vertreter der Parteien (CDU, FDP, SPD, Grüne, Linke), der Kirchen (der katholischen, protestantischen, evangelisch-freikirchlichen und der jüdisch-liberalen Gemeinden in Riehl)
und der RIG (Riehler Interessen Gemeinschaft).
Von Anfang an war uns wichtig, möglichst viele auch unterschiedliche Menschen und Meinungen zusammen zu bringen. Grundlage und Ziel der Initiative sind es, die Menschen, die jetzt in Riehl leben und sicher alle eine andere Lebensplanung hatten, hier willkommen zu heißen und auf ihrem Weg in einen erträglichen Alltag zu begleiten. Außerdem wollen wir etwas dagegen unternehmen, dass diese Menschen zu Wahlkampf-zwecken von rechten Parteien missbraucht werden. Das finden wir im Wortsinn menschenverachtend.
Weg in den Alltag nehmen wir wörtlich: Zum Beispiel Grundschulkindern und ihren Eltern in der Schule helfen. Inzwischen ist für integrationswillige und -fähige Flüchtlinge auch Unterstützung z.B. bei der
Wohnungssuche, bei Praktika, Ausbildung und Arbeit wichtig.
Für die Struktur des "Runden Tisches" gilt, dass möglichst viele Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten mitmachen, jeder nach seinen zeitlichen Möglichkeiten und auch der Freude an seiner Aktivität.
Dementsprechend wollen wir auch keine Vereinsstrukturen, keinen Vorstand und keine Hierarchie innerhalb der Gruppe. Natürlich ergeben sich in der praktischen Tätigkeit unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte.
Ehrenamtliche Tätigkeiten
Grundsätzlich ist zu sagen, dass alle, die ehrenamtlich tätig werden wollen, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis brauchen. Die Kosten hierfür übernimmt das DRK als Träger der Heime in Riehl. Nähere Informationen zu den Formalitäten gibt es bei den Heimleitungen.
Wichtig ist uns, dass alle in Riehl aktiven Ehrenamtlichen in Gruppen arbeiten, die sich untereinander absprechen. Der Runde Tisch Riehl bildet ein Forum dafür.
Grundzüge der Arbeit 2014 -2020
Anfang April 2014 trafen wir uns auf dem Heimgelände zu einem ersten Begrüßungsfest.
Diese Feste haben inzwischen Tradition und dienen vor allem dazu, sich kennen zu lernen und Kontakte zu knüpfen.
Höhepunkte waren das große Straßenfest in der Garthestraße im April 2016, die Jobbörse für Geflüchtete
2017 und das Fest "Von Babylon nach Riehl" im April 2018. Danke an das Joseph-Dumont-Berufskolleg und die katholische Gemeinde Riehl!
Außerdem gab es einige Benefiz-Konzerte und Feiern, zuletzt auf dem Gelände des Wohnheimes im Juni 2019 und zur Einweihung des Spielplatzes im Februar 2020.
Es haben sich verschiedene Themengruppen gebildet, die ihre Tätigkeiten autark planen und durchführen. Zur Zeit gibt es folgende Gruppen: Schule, Ö-Treff, Kleiderkammer, Musik, Zivilcourage, Begleitung.
Ein Schwerpunkt liegt auf der kontinuierlichen Integrationsbegleitung Einzelner, vor allem in den Bereichen Arbeit und Wohnen - auch wenn sie nicht mehr in den Riehler Heimen wohnen!
Regelmäßige Treffen im Plenum gibt es seit 2014 etwa alle sechs bis acht Wochen, das 45. Treffen findet im Mai 2020 statt. Der Austausch in der großen Runde ist wichtig für den Überblick und den Zusammenhalt des "Runden Tisches", die eigentliche Arbeit für die Flüchtlinge läuft jeweils dazwischen.
Der Runde Tisch Riehl ist Teil der Willkommenskultur in Köln und erhielt mit den anderen Willkommens- und Integrationsinitiativen im September 2016 den Ehrenamtspreis der Stadt Köln.
Es gibt inzwischen eine vielfältige Zusammenarbeit auf Bezirks- und Stadtebene zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Akteuren.
Die Flüchtlingsunterkünfte in Riehl
Das Haus Boltensternstraße 10D – seit 2014 ein Regelwohnheim für Familien mit Selbstversorgung - wird zur Zeit von etwa 120 Geflüchteten aus verschiedensten Ländern bewohnt, davon mehr als 60 Kinder und Jugendliche. Es bietet Platz für bis zu 200 Menschen. Die ehemalige Hausmeisterwohnung dort kann seit Oktober 2014 für verschiedene Angebote genutzt werden.
Das Heim wird von Mitarbeitern des DRK geleitet. Für die Sicherheit ist die Firma MTS zuständig.
Im Februar 2020 wurde der Spielplatz für die Kinder offiziell eingeweiht.
Das Haus Boltensternstraße 10A war von Februar 2015 bis 2018 eine Erstaufnahme der Stadt mit zentraler Verpflegung. Der Umbau zu einem Regelwohnheim ist in Planung.
Im Katastrophenschutzhaus der Stadt Köln in der Boltensternstraße 2-4 waren von November 2014 bis August 2017 bis zu 200 alleingeflüchtete Männer vor allem aus Syrien und Afrika untergebracht. Diese Erstaufnahme wurde geschlossen und wieder ihrer ursprünglichen Nutzung zugeführt.
Gegen Rassismus und Antisemitismus
Wichtig ist uns seit Gründung des Runden Tisch Riehl, Zivilcourage gegen rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Hetze und Taten zu zeigen. Als Einzelne und als „Runder Tisch Riehl“.
Ein Beispiel für die Möglichkeiten, wie jede*r Teilnehmer*in am Runden Tisch Riehl seinen Vorstellungen entsprechend aktiv sein kann, zeigten die Aktivitäten gegen die geplante Abschlussveranstaltung vor der Kommunal- und Europawahl von Pro Köln/NRW am 23.Mai 2014:
Von der Heimleitung war für diesen Freitagnachmittag ein Zoobesuch mit allen Bewohnern geplant, damit die Flüchtlinge wenig von den Pro NRW Aktionen mitbekommen mussten. Der Zoo hatte Freikarten hierfür zur Verfügung gestellt. Einige aus unserer Gruppe waren mit im Zoo, um die Familien zu begleiten,
andere auf den Straßen Riehls und haben mitgeholfen, dass kein rechter Demonstrationszug zustande kam.
Bei „Köln stellt sich quer“, einem Bündnis von Parteien (CDU bis Linke), Kirchen, Gewerkschaften und Initiativen wie „Arsch huh“ - also mit den gleichen Strukturen wie der Runde Tisch Riehl – machen wir mit, wir haben den Aufruf zu der Demo gegen Kögida am 5.1.2015 mitgetragen und waren beim Aufruf „Kein Rassismus bei uns in Köln 25.Oktober 2015“ dabei.
Auf der Demo „Köln zeigt Haltung“ im September 2018 war der Runde Tisch Riehl auch
mit einem eigenen Plakat präsent.
Nach dem Mordanschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 waren Vertreter des Runden Tisches beim Laubhüttenfest der Jüdisch Liberalen Gemeinde in Riehl eingeladen. Über dieses Zeichen der Solidarität
hinaus haben wir im Februar 2020 einen Workshop zum Thema „Zivilcourage“ durchgeführt, um rechter Hetze gezielt entgegentreten zu können, ein zweites Seminar wird bald folgen.
Darüber hinaus übernimmt der Runde Tisch Riehl bei der Aktion „Glanz statt Hetze“ initiiert von Rafi Rothenberg aus der Jüdisch Liberalen Gemeinde - die Patenschaft für die neun Stolpersteine in Riehl.
Für den Runden Tisch Riehl:
Annette Wolf, Christa Eumann, Walter Eumann